Das seit Jahrzehnten aufgrund seines unbefriedigenden Laufes und des Verschleißverhaltens totgeglaubte Losrad wurde durch Einführung der Straßenbahnniederflurtechnik wiederum zum Objekt zahlreicher Anwendungsfälle. Auch bei deren Fahrzeugen traten trotz der weiterentwickelten Technik die altbekannten Probleme wieder auf. Ständiger Anlauf der Losräder an den Schienen sowie hoher Laufflächenverschleiß und Spurkranzverschleiß. Solange das Losradlaufwerk aus einer zentrischen Position anläuft, keine Bögen zu durchrollen hat und das Gleis wie auch das Fahrwerk ideal ausgerichtet sind, wäre ein zentrischer Lauf rein theoretisch noch denkbar. Diese Voraussetzungen sind jedoch in der Realität nicht im entferntesten erfüllt. Ist aber das Rad erst einmal etwa aufgrund von Gleislagefehlern gegen die Schiene gelaufen, so treten gleich zwei für den weiteren Lauf verhängnisvolle Effekte auf. Der hohe Spin und zu allem noch eine zu hohen spinbedingten Querreibkräften Anlaß gebende Längsausrichtung der Kontaktfläche. Damit nimmt auch die aus dem Spin resultierende Querkraft den denkbar höchsten Wert an. Beide Gegebenheiten zusammen lassen nunmehr das Rad nicht mehr von der Schienenkante los, weil die zur Schienenaußenseite wirksam werdenden Kräfte größer sind als die zur Gleisachse weisende geometrische Kraft. Da wegen des fehlenden Wendens bei Rollen auf halbwegs gut verlegtem Gleis auch keinerlei Trägheitskräfte am Drehgestellrahmen und Fahrzeugkasten auftreten können, entfallen in der Folge auch die diesbezüglich korrigierend wirksam werdenden Radlagerkräfte. Erst bei größeren Gleislagefehlern wird das Fahrwerk von der Schiene abgelenkt, läuft dann allerdings sogleich an der Gegenschiene an. Dort klebt es dann bis zum nächsten Schienenstoß. Die Eisenbahner der ersten Stunde wußten offensichtlich, warum sie dem Losrad aus dem Weg gingen.
Das Losradprinzip - ungeahnte Möglichkeiten oder unabsehbare Folgen?
The free wheel principle - unsuspended potential or unforeseeable consequences?
Der Eisenbahningenieur ; 49 , 1 ; 69-72
1998
4 Seiten, 6 Bilder, 2 Quellen
Article (Journal)
German
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