Der Nachweis der Konstruktionstauglichkeit tragender Strukturen wird in der Schienenfahrzeugindustrie im Allgemeinen durch europäische Normen geregelt und von den Zulassungsstellen und Kunden eingefordert. Das Freigabeprogramm basiert auf einem mehrstufigen Verfahren aus rechnerischem Festigkeitsnachweis, Prüfstandsversuchen und Streckenversuchen. Die ertragbaren Werkstoffdaten müssen aus aktuellen Regelwerken entnommen werden und entsprechende Überlebenswahrscheinlichkeiten aufweisen. Neben dem Berechnungsverfahren ist die Bewertungsmethodik und das Kombinationsverfahren der lokalen mehrachsigen Beanspruchungen zu definieren. Da die Regelwerke bisher vor allem die Beanspruchungen normal auf die Schweißnaht behandelt haben, muss die Frage der Anwendbarkeit auf Längsspannungen und auf Schubspannungen in Schweißnähten gelöst werden. Weiter müssen auch der Einfluss der Mehrachsigkeit sowie die Wahl der Schadensakkumulationshypothese beim Betriebsfestigkeitsnachweis geregelt sein. Die Umsetzung dieser Punkte bei Stadler Rail wird hier anhand eines Beispiels beschrieben. Am Beispiel eines Fahrwerkrahmens wird die Komplexität der zu berechnenden Bauteile beschrieben. Um einen rechnerisch automatisierten Ermüdungsfestigkeitsnachweis auf Basis des Kerbspannungskonzeptes führen zu können, sind die Schweißnähte durch Schalenelemente in der Mittenebene abgebildet. Guss- und Schmiedeteile sind als Solid-Elemente modelliert. Das Modell besteht aus ca. 300 000 Elementen und 700 000 Knoten. Als Schalenelemente werden vierknotige Elemente mit reduzierter Integration eingesetzt. Das FE-Modell ist steifigkeits- und massentreu. Für die Festigkeitsnachweise geschweißter Bauteile mit dem Kerbspannungskonzept benötigt man neben den Ergebnissen aus den FE-Berechnungen eine Einteilung der Schweißnähte in Kerbdetails für die relevanten Beanspruchungskomponenten, ertragbare Festigkeitswerte, Einflussfaktoren, ein Verfahren zur Berücksichtigung der Mehrachsigkeit und die Schadensakkumulationshypothese. Einfluss der Blechdicke auf den Ermüdungsfestigkeitsnachweis wird durch das Kerbspannungskonzept selbst abgedeckt. Wenn jedoch die Kerbfaktoren nur für eine Blechstärke ermittelt werden, dann muss der Blechdickeneinfluss wie beim Nennspannungskonzept über eine Korrekturfunktion berücksichtigt werden. Zur Verbesserung der Ermüdungsfestigkeit durch nachträgliche Bearbeitung der Schweißnaht sind in den IWS-Empfehlungen Verbesserungen der Nahtgeometrie und Erzeugung von Druckeigenspannungen empfohlene Verfahren. Für den Fall einer örtlich mehrachsigen Beanspruchung bei Annahme zeitgleicher Lastumkehrpunkte wird nach den Regelwerken im Allgemeinen eine kerbmechanische Betrachtung durch das Konzept der örtlich elastischen Beanspruchung durchgeführt. Auf Grund der hohen Lastspielzahlen wird in der Schienfahrzeugindustrie eine Schadensakkumulationshypothese benötigt, die kleine Beanspruchungsamplituden nicht überbewertet. Im Allgemeinen werden dazu verschiedene Varianten des Palmgren-Miner-Verfahrens verwendet, wie zum Beispiel die Modifikation der Wöhler-Linie durch Abknickung bei einem bestimmten Wert oder das Abschneiden der Wöhlerkennlinie durch die Einführung eines 'Cut-off'-Wertes. Beide Verfahren liefern für drehgestellrahmenspezifische Belastungskollektive annähernd gleiche Auslastungsgrade. Zusätzlich ist für das Miner-Elementar-Verfahren kein Abknickpunkt der Wöhlerlinie erforderlich. Aus diesen Gründen wird dieses Verfahren für die Betriebsfestigkeitsnachweise bei Stadler Rail eingesetzt. Auf Grund der detaillierten FE-Modelle korrelieren die gemessenen Beanspruchungen der Prüfstandversuche gut mit den Rechnungen. Das ist von besonderer Bedeutung, da die Prüfstandversuche nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn die gemessenen Beanspruchungen bei den statischen Versuchen mit Betriebsbelastungen die zulässigen Werte nicht überschreiten. Das Kerbspannungskonzept wird auch beim Betriebsfestigkeitsnachweis angewendet.
Anwendung des Kerbspannungskonzepts beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis von Wagenkasten und Fahrwerken einer modernen Niederflur-Straßenbahn
2009
9 Seiten, 8 Bilder, 12 Quellen
Conference paper
German
Kerbspannung , Ermüdungsfestigkeit , Fahrwerk (Fahrzeug) , Straßenbahn , Europäische Norm , Festigkeitsprüfung , Berechnungsverfahren , Materialbeanspruchung , Schweißnaht , Längsspannung , Schubspannung , Mehrachsigkeit , Schadensakkumulation , Modellbildung , Finite-Elemente-Methode , Blechdicke , Lastspielzahl , Wöhler-Schaubild , Belastungskollektiv
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