Eine neue US-Studie gibt Anlass zur erneuten Diskussion um die vermehrte Verwendung von Kunststoffen im Fahrzeuginnenraum. Vor etwa 20 Jahren enthielten im Fahrzeugbau einige Additive wie Flammschutzmittel und PVC-Weichmacher tatsächlich bedenkliche Inhaltstoffe. Diese ausgasenden organischen Verbindungen können zu Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen und allergischen Reaktionen führen. Die deutschen Autohersteller einigten sich im VDA auf Normen für die so genannten Foggingprüfungen. Die erwähnte US-Studie namens 'Toxic at any speed' konzentriert sich auf zwei Substanzen: Phthalate und polybromierte Diphenylester (PBDE). Das Ergebnis ist aus Sicht des Verfassers der Studie erschreckend: In den Proben von Ausgasungen an der Windschutzscheibe und vom Staub im Autoinneren fanden die Wissenschaftler sowohl Phthalate (im Staub,gemessen in ppm) als auch bis zu 24 Mikrogramm/Quadratmeter PBDE an der Frontscheibe. Auf Grund diverser konkreter Zusammenhänge drängt sich sich der Verdacht auf, dass die Studie Ängste schürt, die auf Grund der vereinbarten Messstandards der Automobilhersteller nicht berechtigt sind. Dennoch steht die Frage im Raum: Was tun die Hersteller und Zulieferer, um die Emissionen im Innenraum zu minimieren. Das VW-Konzernlabor in Wolfsburg untersucht z. B. jährlich rund 2500 Werkstoffe auf ihr Emissionspotenzial, größere Bauteile und Baugruppen des Interieurs werden ebenfalls untersucht. DaimlerChrysler hat Grenz- und Zielwerte für kritische Inhaltsstoffe definiert; sämtliche Interieur-Teile werden zudem einer Thermodesorptions-Analyse unterzogen, die Aufschluss über die Inhaltsstoffe gibt. Und bestimmte Stoffe wie die in der US-Studie gemessenen PBDE sind per Liefervorschrift verboten. Audi lässt zwanzig Jahren die Innenraumluftqualität jedes neuen Modells vom TÜV Nord in Hamburg untersuchen. Auch das Dekra-Umweltlabor in Stuttgart führt entsprechende Fogging-, Geruchs- und Formaldehydmessungen durch. Volvo hat bei der US-Studie gut abgeschnitten und führt dies u. a. darauf zurück, dass die Textilien und Lederpolsterungen im Interieur dem Öko-Tex-Standard 100 entsprechen. Das Thema Innenraumluftqualität ist auch deshalb aktuell, weil die Verbände der japanischen und chinesischen Automobilindustrie zurzeit Prüfstandards erarbeiten. Dass bei einer der japanischen Prüfungen zwar in einer Fahrsituation bei aufgeheizten Fahrzeug, aber ohne Lüfterbetrieb gemessen wird, kritisieren europäische Experten als unrealistisch. Sie argumentieren, dass man in einem Fahrzeug, dass in der Sonne gestanden hat, direkt die Lüftung betätigt, sodass die Schadstoffkonzentration sinkt. Wenn die Klimatisierung mit einem Aktivkohlefilter ausgestattet ist, enthält laut DaimlerChrysler die Luft im Fahrzeug sogar weniger gesundheitsgefährdende Stoffe als draußen.
Den Weichmachern auf der Spur
Tracing the softening agents
Automobil Industrie ; 51 , 5 ; 62-64
2006
3 Seiten, 3 Bilder
Article (Journal)
German
Weichmacher (Kunststoff) , Pkw (Personenkraftwagen) , Anwendung im Fahrzeugbau , Behaglichkeit , Raumklima , Reizwahrnehmung , Schadstoffemission , Luftreinhaltung , Belüftung , Automobilindustrie , Innenausstattungskomponente , Kunststoffanwendung , Fahrzeugklimaanlage , Windschutzscheibe , Ablagerung , Ausgasung , Aktivkohlefilter , Raumlufttechnik , Automobilzulieferer , Fahrzeuginnenraum
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