Bei der Unfallanalyse stellt die mikroskopische Auswertung der Tachographenscheibe ein wesentliches Hilfsmittel dar. In dem vorliegenden Beitrag werden die Möglichkeiten und Grenzen einer Tachografenscheiben-Auswertung bei Fahrvorgängen, die nur wenige Sekunden betragen, aufgezeigt. Als Versuchsfahrzeug diente ein Daimler Benz 1928 4 x 4 mit Anhänger. Dieser Lkw war mit mechanischem Tachoantrieb ausgerüstet. Die Vergleichsmessungen wurden mit einem UDS-Gerät der Fa. Mannesmann Kienzle vorgenommen. Als Wegimpulsgeber diente ein Peiselerrad. Insgesamt wurden 14 Bremsvorgänge durchgeführt und zwar aus Geschwindigkeiten von 17 bis 40 km/h; dabei waren vier unterbrochene Bremsungen, drei starke Abbremsungen und sieben Vollbremsungen. Durch die Fa. Siemens VDO wurden die 14 nacheinender folgenden Fahrvorgänge mikroskopisch ausgewertet und in der üblichen Form, als Tabellen und Diagramme, als Auswerteergebnis übersandt. Die einzelnen Messfahrten waren durch deutliche Stillstandzeiten getrennt. Im Vergleich der Messergebnisse wird festgesteellt, dass bei kurzzeitigen kontinuierlichen Abbremsungen bis zum Stillstand in der Größenordnung von 2 s durch die Angabe von nur vollen Sekunden als Bremsdauer große Fehler gemacht werden, sowohl bei der Bremsdauer als auch in der Folge bei der Ermittlung der mittleren Verzögerungen und der Bremswege. Der Vergleich der erreichten Maximalverzögerung während einer Bremsung mit der in der Diagrammscheibenauswertung angegebenen mittleren Verzögerung zeigt, dass hier auf die erreichbare Vollverzögerung bei Abbremsungen keine Rückschlüsse gezogen werden können. Viele Beispiele zeigen, dass die erreichte Vollverzögerung mehr als doppelt so groß sein kann wie die angegebene mittlere Verzögerung. Die direkt auf der Scheibe ablesbaren Geschwindigkeiten werden mit sehr geringen Toleranzen richtig gemessen. Dieses bedeutet, dass die Tachografen ihre ursprüngliche Funktion mit hoher Genauigkeit ausüben. Bei derartig kurzen Fahrvorgängen ist aufgrund der Angabe der Zeiten mit vollen Sekunden eine sehr hohe Toleranz gegeben. Auf Grund der gerundeten Zeiten sind die Wege und die Verzögerungen stark toleranzbehaftet. Bei kurzen Abbremsungen wurden Wegabweichungen von bis zu 72 %, bezogen auf den tatsächlichen Wert, festgestellt. Die Angabe der erreichten Maximalverzögerung ist mit Hilfe der Diagrammscheibenauswertung bei so kurzen Bremsdauern nicht möglich. Komplexe Fahrvorgänge, wie z. B. Abbremsungen mit kurzzeitig variierender Verzögerung bzw. Wegfall der Verzögerung, können mit diesem Medium nicht sicher ermittelt werden. Die Angaben der Geschwindigkeiten erfolgten mit hoher Genauigkeit. Somit wird festgestellt, dass die Diagrammscheibe ihre ursprüngliche Aufgabe sehr gut erfüllt. Dem Unfallanlytiker wird empfohlen, dass er derartige Vorgänge, wie in dem Artikel beschrieben, mit Sicherheit nicht unreflektiert aus der Diagrammscheibenauswertung in sein Gutachten übernehmen kann.


    Zugriff

    Zugriff über TIB

    Verfügbarkeit in meiner Bibliothek prüfen

    Bestellung bei Subito €


    Exportieren, teilen und zitieren



    Titel :

    Grenzen der Tachoscheiben-Auswertung bei Nutzfahrzeugen


    Weitere Titelangaben:

    Limits of tachograph records evaluation at commercial vehicle


    Beteiligte:
    Becke, Manfred (Autor:in) / Saat, Detlev (Autor:in) / Bührmann, Ralf (Autor:in)

    Erschienen in:

    Erscheinungsdatum :

    2006


    Format / Umfang :

    4 Seiten, 10 Bilder, 2 Quellen



    Medientyp :

    Aufsatz (Zeitschrift)


    Format :

    Print


    Sprache :

    Deutsch