Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) steht unter Kostendruck. Effizienzsteigerungen sind auch hier angesagt. Deshalb bereinigen viele Verkehrsbetriebe ihre Netzstrukturen. Schwache Linien werden zunehmend eingestellt, oder zumindest wird die Fahrfrequenz in aufkommensschwächeren Zeiten und Gebieten erheblich reduziert. Der ÖPNV zieht sich der Tendenz nach in lukrative Geschäftsfelder zurück. Ballungsräume und Zentren mit starker radialer Verkehrserschließung profitieren. So verwundert es nicht, daß viele Bürger allein ihrem Auto vertrauen. Doch es gibt einen Ausweg. Volkswagen hat ein Modell entwickelt, das vom ÖPNV übernommen werden könnte. Die Lösung geht von dem Grundsatz aus, die individuellen Wünsche der Kunden in das Zentrum der Bemühungen zu stellen. Das bedeutet nach den Vorstellungen der Verkehrsexperten des Fahrzeugherstellers, daß die kollektive Massenbeförderung mit einem flexiblen System für nachfrageschwächere Zeiten und Gebiete ergänzt werden soll. Die Verwirklichung eines Haus-zu-Haus-Service ist dabei das Ziel. So gesehen, kommt die Haltestelle zum Kunden. Dieser Service sollte flächendeckend und rund um die Uhr erfolgen. 'VW-Anruf-Bus' heißt die Neuerung, die den Verantwortlichen des ÖPNV empfohlen wird. Kundenorientierung ist das A und 0. Für den Anruf-Bus gibt es weder einen Fahrplan noch feste Haltestellen oder dauerhaft festgelegte Streckenführungen. Der Fahrgast wählt völlig frei seinen Abholort und seine Abholzeit. Der Fahrtwunsch wird bei der Dispositionszentrale telefonisch angemeldet. Hier werden ähnlich lautende Aufträge für einen Kleinbus zusammengefaßt und an einen oder mehrere weitergeleitet. Die Bündelung der Aufträge erfolgt nach unterschiedlichen Kriterien, die sowohl den Interessen der Fahrgäste als auch denen der Betreiber gerecht werden sollen. Dabei werden angestrebt eine hohe Fahrzeugauslastung wie auch ein geringer Energieeinsatz, aber auch kurze Fahr- und Wartezeiten ebenso wie eine maximale Flexibilität. Die Disposition erfolgt mit Satellitenortung, digitalem Mobilfunk und einer speziellen Dispositionssoftware. Volkswagen hat das System Anruf-Bus über längere Zeit im Landkreis Leer in Ostfriesland in unterschiedlichen Variationen und Einsatzgebieten getestet. Zur Zeit laufen insgesamt neun VW-Anruf-Bus-Projekte.
Die Haltestelle kommt zum Kunden. VW testet ein neues Konzept für verkehrsschwache Gebiete und Zeiten
Blick durch die Wirtschaft ; 40 , 36 20.02.97 ; 10
1997
1 Seite, 1 Tabelle
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